SG Schmidt/Wirthmann 2.Deutscher Verbandsmeister und 2. As-Vogel 2017

Die Shooting Stars der deutschen Brieftaubenszene im Reisejahr 2017 beleuchtet von Willi Hertel.

Man sagt nicht unbegründet, dass der erste Eindruck entscheidend ist. Als ich bei der Familie Wirthmann anrufe, meldet sich am anderen Ende die Ehefrau des Züchters. „Sie wollen sicher meinen Mann sprechen,“ tippt sie an diesem Freitag richtig und ergänzt: „Der ist im Moment nicht da. Er versorgt gerade die Tauben eines Freundes. Und am Sonntag sind wir zum alljährlichen Wandertag mit unserem Verein unterwegs!“ Aus diesen wenigen Worten schließe ich, dass das Miteinander in diesem Verein intakt ist. Am nächsten Vormittag spreche ich bei Sportfreund Wolfgang Wirthmann (65), der in der 1.000-Seelen-Gemeinde Schlüchtern-Wallroth zu Hause ist, vor.

Wolfgang Wirthmann

 

Der Vater von Wolfgang Wirthmann war bereits aktiver Brieftaubenzüchter. Schon im Kindesalter war der heutige Erfolgszüchter immer dabei und über lange Zeit auch SG-Partner. Noch einige Jahre, nachdem Sportfreund Wirthmann geheiratet hatte und ein Haus gebaut war, pendelte er täglich zu seinen Tauben am Elternhaus. Trotz einiger Erfolgserlebnisse bezeichnet er die damalige Flugresultate als absolut durchschnittlich. Schließlich war ein sein Schwiegervater, der ihn dazu bewegte, seine Tauben hierher umzusiedeln. Das Raumangebot zum Schlagbau in der riesigen Scheune zeigte sich im Nachhinein als ideal. Somit gibt es im Ort zumindest noch einen Brieftaubenzüchter. Vor 25 Jahren, zur Zeit des Umzugs, waren es noch sechs. Damals wechselte er die RV Schlüchtern, die jüngst mit der RV Sinntal fusionierte.

Die heutige SG

In den Preis- und Siegerlisten ist der 2. Deutsche Meister des Verbandes 2017 unter SG Schmidt/Wirthmann aufgeführt. Die Vermutung, dass gleich zwei Männer für die Aktivitäten dieses Schlages stehen, liegt nahe. Die Praxis sieht anders aus. Sportfreund Schmidt ist der Schwager von Wolfgang Wirthmann, kann jedoch aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit nicht mehr ins Geschehen eingreifen, wird aber weiterhin in der zu einem Begriff gewordenen SG-Bezeichnung geführt.

(von links) SG Schmidt/Wirthmann

Die Zuchtgemeinschaft

Sportfreund Wirthmann pflegt mit dem in Schlüchtern wohnenden Stephan Lang eine bereits seit 15 Jahren bestehende Zuchtgemeinschaft. Zustande kam diese aus praktischen Überlegungen, denn Sportfreund Lang hat solche räumliche Möglichkeiten, wie sie in Wallroth vorhanden sind, nicht. Die hier sitzenden 25 gemeinsamen Zuchtpaare werden von Wolfgang Wirthmann betreut. Und das diese Praxis bestens funktioniert, das belegen einmal mehr die Erfolge des Jahres 2017: Die SG Schmidt/Wirthmann wird 2. Deutscher Verbandsmeister und stellt den 2. As-Vogel des Verbandes. Zudem wird der ZG-Partner Stephan Lang 11.Deutscher Verbandsjähringenmeister. Im Wettbewerb um die RV-Meisterschaft des Verbandes liegen die beiden (auf Rang 1 und 2 um RegV) nur 20 As-Punkte auseinander, Alleine diese Titel belegen, dass hier die alljährliche Aufteilung der ersten und zweiten Zucht, fair abgewickelt wird und den verdienten Lohn für beide Züchter bringt. Übrigens: Die Zuchtpaare stellt Wolfgang Wirthmann zusammen, rein nach Gefühl. Dabei spielt weder die Augen- noch die Flügeltheorie eine Rolle. „Der Körper muss passen und bei unterschiedlichem Körperbau bin ich auf Ausgleich bedacht“, sagt der Praktiker.

Die Blutführung(en)

Bereits ab dem zweiten Jahr nach dem (Tauben-)Umzug gewann Wolfgang Wirthmann dreimal in Folge die RV-Meisterschaft. Damals noch weitestgehend mit den alten Jökel-Tauben. Dieses Blut fließt heute noch zu einem beachtlichen Anteil im aktuellen Bestand. Ergänzend holte man sich 2008 vom Meisterschlag Hans Hirn und Familie Eier, 20 an der Zahl. Daraus zog man richtig gute Tauben, wie beispielsweise den „08-1624“, der selbst nicht geflogen ist und gleich in die Zucht gesetzt wurde. Er ist u. a. Vater der „13-695“, die bereits 2015 einen 1. Konkurs im RegV gegen 5.256 Tauben flog und 2017 zehn Preise erzielte. Eine weitere Tochter, die „15-131“, brachte es als Jährige auf neun Preise, um 2017 elf Zähler nachzulegen. Darunter war ebenfalls ein 1. Konkurs im RegV gegen 5.736 Konkurrenten. Ebenso holte man sich, und dies schon öfter, bei Tierarzt Rene Becker ab 2010 Tauben, in deren Adern das Blut von dem Heremans-Olympiavogel „003“ fließt. Nach dem Jungflug 2010 konnte Stefan Jökel (Schlüchtern) nicht alle seine Jungtiere behalten, weil die Herbstreise ganz fantastisch für ihn verlaufen war. Da er auch ein Freund von standardgerechten Tauben ist, sortiert er einige aus. Sportfreund Lang durfte sich fünf solcher Tiere abholen, darunter auch den Vogel „10-1037“, der volle Preiszahl 6/6 auf seinem Konto hatte. Genau dieser Vogel avancierte hier zum souveränen Zuchtvogel, der mit verschiedenen Weibchen Nachzucht brachte, die 1. Konkurse und volle Preiszahlen nach Hause flog.

Anmerkung

Die Tauben des RegV 456 „Main-Kinzig-Wetterau“ werden zum Südosten geschickt, so auch die der RV Sinntal/Schlüchtern. Dass diese Reiserichtung für die Tauben keinen Spaziergang darstellt und insbesondere die Endflüge, beispielsweise ab Wien, den Tieren einiges abverlangt, ist hinlänglich bekannt. Das hat aber auch zur Folge, dass in den letzten fünf Jahren nur einmal (2017) der geplante Endflug ab Purbach  (600 km) durchgeführt werden konnte und die Möglichkeit zur Teilnahme an den nationalen Konkurenzen bestand.

Die Eckpfeiler des Taubenjahres

Ab dem Tag der Endflüge bei den Alt- und Jungtauben bleiben die Ausflüge wegen der Greifvogelplage hier im Dreieck von Rhön, Vogelsberg und Spessart bis weit in den März hinein geschlossen. Das Training am Haus umfasst dann morgens und abends je eine Stunde. Zuerst fliegen die Vögel, wobei es sich mehr um ungezwungenen Freiflug handelt. Dabei sieht der Züchter gerne, wenn die „Kerle“ auch mal landen und dann wieder klatschend auffliegen. Die Weibchen hingegen werden mit der Fahne für zumindest eine halbe Stunde am Stück in der Luft gehalten. Ab Anfang April wird die Mannschaft zirka zehnmal bis auf eine Distanz von 25 km privat gefahren und muss anschließend zu den drei RV-Vorflügen mit. Dabei werden die Mittwochs-Zwischenflüge bis in die Saison beibehalten. Nach Beendigung der Reise bleiben die Paare bis zur Mitte des Januars zusammen. Während dieser ruhigen Phase stehen den Tauben nur Sitze vor den verschlossenen Zellen zur Verfügung. Wenn in dieser Zeit einmal ein Ei gelegt wird, so regt dies Sportfreund Wirthmann nicht auf. Die eigentliche Trennung der Geschlechter ist dann nur (grob zwei Wochen) von kurzer Dauern. Anschließend erfolgt schon wieder die Verpaarung der Reisetauben für das neue Jahr, wobei sich die Paare selbst finden dürfen/müssen.

Das System

Die Zahlt der im Mai/Juni insgesamt zu versorgenden Tauben pendelt sich um die Zahl 200 ein. Die Reisemannschaft umfasst zirka 65 Alttiere, die grundsätzlich nach der Totalen Witwerschaft geführt werden. Als Ausnahme sind die zehn Weibchen zu sehen, deren Partner zu Hause bleiben. Bewährt hat sich auf einem Teil der Wirthmann-Reiseschläge die trockene Witwerschaft, zumindest für 20 Paare. Die Weibchen aller „trockenen“ Paare dürfen auch ein zweiter Mal legen, wobei nach wenigen Tagen Brutzeit abgeräumt wird. Alle anderen, insbesondere dort wo viele Jährige sitzen, müssen die Paare zwei Jungtiere aufziehen. Während der Aufzucht greift der Umlauf, sodass dort ein weiteres Legen unterbleibt und zum letzten Vorflug, wie auch bei allen anderen Paaren, die Witwerschaft beginnt. In der Vorbereitung und bei den späteren Zwischenflügen wird „ungesehen“ eingekorbt und die Paare dürfen nach ihrer Rückkehr eine Stunde zusammen bleiben. Zu den Preisflügen greift eine abgeänderte Praxis. Dann werden die Paare für zwei bis drei Minuten gezeigt und die gemeinsame Zeit nach der Rückkehr ist auch deutlich länger. Ein „Zeigen“ über eine halbe Stunde wurde schon versucht, aber ebenso schnell wieder beendet, weil es keine Verbesserung brachte.

Die Fütterung

Zu diesem Thema merkt Sportfreund Wirthmann vorab an, dass seine Tauben weder zum Freiflug noch bei der Fütterung genaue Uhrzeiten kennen. Eine „magere“ Taubenversorgung über den Winter gehört für Wolfgang Wirthmann nicht mehr zu einer modernen Fütterung. Er vertritt die Auffassung, dass die Tauben ganzjährig bestens versorgt sein sollten –  auch in der ruhigen Jahreszeit, was insbesondere der Zucht zugute kommt. Er mischt das Futter selbst, und dies aus vier handelsüblichen Mischungen. Gefüttert wird nicht nach der Waage, sondern nach Gefühl, wobei er seinen Mix dem zu erwartenden Wind anpasst.

Beiprodukte

Der Wochenplan sieht vor, dass es montags und dienstags Folgemilchpulver-Babynahrung übers Futter und am Mittwoch ein Jodpräparat in die Tränke gibt. Ansonsten schwört der Versorger auf die Produkte von Columba Vet. Jeweils im Januar gibt es durchgehend Darm-Rein, was über die Saison montags und dienstags gegeben wird. Übers Jahr steht den Wirthmann-Tauben VulcanoMineral zur Verfügung und über das Tränkenwasser kennen sie TurboBronchial.

Medizinische Begleitung

Sportfreund Wirthmann hat schon über einige Jahre Kontakt zu den Tierärzten Dr. Thomas Nolte, Schemmerhofen, und Dr. Rene Becker, Nordkirchen. Die Verbindung zu Sportfreund Nolte sen, sowie zu der SG Becker/Hagedorn kam über den Kauf von Tauben zustande und erweiterte sich dann zur medizinischen Begleitung. So hat es sich eingependelt, dass regelmäßig im Frühjahr und im Herbst im Wechsel Kotproben an einen der Tierärzte eingeschickt werden. Blinde Kure sind auf dem Schlag in Wallroth verpönt, man hält sich an die Empfehlung der Fachärzte.

Der 2. As-Vogel des Verbandes 2017 03258-15-208

Der Primus auf dem Wirthmann-Schlag ist ohne Frage der 2. As-Vogel auf Bundesebene, der blaue Vogel mit der Ringnummer 03258-15-208. Seine zu diesem Titel reichende Leistung: fünf Preise mit 494,17 As-Punkten. Dass dieser Erfolg kein Zufallsprodukt ist, zeigt seine im Jahr zuvor gezeigt Leistung, mit der er 4. bester jähriger Vogel des Bundeslandes Hessen wurde. Wegen dieser Leistung als Jähriger erfuhr der „208“ zum Jahresbeginn 2017 eine Sonderbehandlung. Entgegen der üblichen Liebespaarung wurde ihm eine Täubin zugeordnet, weil man Nachwuchs von ihm haben wollte. Nach vier Tagen stellte Wolfgang Wirthmann fest, dass sich ein ganz anderes Weibchen zu dem Vogel gesellt hatte. Eine rote Täubin –  und damit wurde es auch in der Zelle des „208“ eine Liebeshochzeit. Weil in diesem Abteil die totale Witwerschaft praktiziert wird, ging auch das Weibchen des „208“ mit zur Reise. Der Vogel zeigte bis zum siebten Flug wieder seine überragende Fähigkeit, deshalb wurde seine Täubin trotz der von ihr bis dahin erzielten fünf Preise aus dem Rennen genommen. Aus diesem Paar wurde 2017 vier Junge gezüchtet. Die beiden ersten flogen hier 5/4 Preise. Die zweiten Eier wurden einem Sportfreund in der RV gegeben, wo die Jungen vier und drei Preise flogen. Fragt man den Trainer des „208“ nach Besonderheiten oder Auffälligkeiten seines Schützlings, so weiß dieser zu berichten, dass sich der Ausnahmeathlet einerseits ganz normal in einer zentral gelegenen Zelle sehr wohl fühlt. Andererseits hat er aber auch seine „Macken“, die man einem Star zugestehen muss. 1. Neben seiner Zelle hat er zudem seinen speziellen Sitzplatz für die Nacht, dann sitzt er nämlich im Ausflug. Auch über den Tag hält er sich diesen Platz frei. 2. Der „208“ badet nie mit seinen Schlagpartnern, alle anderen nehmen gerne das Bad am Morgen des Einsatztages an. Das gleiche Verhalten zeigen auch seine Söhne. Einmal wurde er beim Baden beobachtet, aber das war nach der Reise im Herbst. Ist das „Zeigen“ vor dem Einkorben angesagt, geht er nur ganz kurz zu seinem Weibchen in die Zelle. Wenig später kehrt er ihr den Rücken zu und wirbt hinter anderen Täubinnen her. 4. Der Züchter konnte auch beobachten, dass die meisten vom Flug heimkehrenden Tauben erst den First der Scheune anfliegen. Der „208“ geht diesen Weg nicht, er ist zielstrebiger und fliegt den tiefer liegenden Sputnik direkt an. 5. In der Woche vor dem zwölften Flug zeigten einige Schmidt/Wirthmann-Tauben Symptome der Jungtiererkrankheit. Auch der „208“, der zu Wochenbeginn nicht fraß und schmierigen Kot absetzte. Am Donnerstag ging er erstmals wieder zum Trog und am Freitag stopfte er sich den Kropf richtig voll. Wegen dieser „Unpässlichkeit“ wurde er nicht vorbenannt. Das war ein Fehler, denn er war eine der ersten anfliegenden Tauben.

 

Erfolge 2017

2. Deutscher Verbandsmeister

2. As-Vogel des Verbandes

1. Hessenmeister

6. bester Altvogel Hessens

1. Verbandsmeister auf RegV-Ebene

1. RegV-Meister des Verbandes

1. RegV-Meister intern

1. As-Vogel im RegV

1.RV-Generalmeister

1. RV-Jungflugmeister des Verbandes

1. Konkurs vom Endflug Parbach 600km

Gewinner Werbepreis „Die Brieftaube“ und der Goldmedaille

 

Quelle: Die Brieftaube – Willi Hertel

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